Positionspapier der EVP-Fraktion: Ein modernes soziales Europa

03.03.2016

Positionspapier der EVP-Fraktion: Ein modernes soziales Europa

Unsere Werte, unsere Grundsätze, unsere Vision

Unsere Ansichten zu Gesellschaft und Wirtschaft gründen sich auf unsere christlichen Werte und die feste Überzeugung, dass die Menschen frei sind und im Mittelpunkt der Marktwirtschaft stehen müssen. Unsere Hauptwerte sind Verantwortungsbewusstsein, Respekt, Solidarität und Gerechtigkeit, wie sie die Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften, Robert Schuman, Alcide de Gasperi, Jean Monnet und Konrad Adenauer, vertraten, die zu unserer politischen Familie gehörten.

Wir glauben an das europäische Sozialmodell als Fundament der sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen den sozialen Schutz und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern und schützen, was eine stetige Anpassung an die sich rasch verändernde Welt erfordert. In Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) ist der Rahmen festgelegt, in dem Wettbewerbsfähigkeit zu sozialer Gerechtigkeit beiträgt und soziale Gerechtigkeit die Wettbewerbsfähigkeit fördert. In Übereinstimmung mit Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) glauben wir, dass die Europäische Union bei der Festlegung und Umsetzung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen stets sozialen Erfordernissen Rechnung tragen sollte.

Oberstes Ziel der Sozialpolitik ist es, den Bürgern die Instrumente an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, Eigenverantwortung zu übernehmen und zu behalten. Sozialpolitik sollte als Investition betrachtet werden, die langfristige Erträge in Form eigenständiger, unabhängiger Bürger bringt und Kosten vermeidet, die durch eine langfristige Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung entstehen.

Wir glauben, dass Extremismus und Populismus in der EU und auch in den Regionen, die eine Krise durchlaufen, beseitigt werden müssen, um den Menschen echte Zukunftsaussichten in ihren Heimatländern zu bieten. Der Binnenmarkt ist eine der wichtigsten Grundlagen der Union; nur wenn er gut funktioniert, kann eine wirtschaftliche Erholung in Europa erreicht werden. Die Mobilität der Arbeitskräfte spielt in diesem Zusammenhang als Quelle der europäischen Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle.

Wie in anderen Bereichen (vom Umweltrecht bis zum Binnenmarkt und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt) fordern wir, dass einzelstaatliche und EU-Rechtsvorschriften, einschließlich der Tarifverträge, durch alle relevanten Akteure vollständig und kohärent angewendet und durchgesetzt werden. Die Einhaltung der Rechtsvorschriften ist eine Voraussetzung für einen reibungslos funktionierenden und gerechten Binnenmarkt.

Wir sind davon überzeugt, dass unsere soziale Marktwirtschaft eng mit einem wirksamen sozialen Dialog verbunden ist. In diesem Sinne unterstützen wir die Kommission und ihren Präsidenten bei ihrem Engagement für einen Neustart des europäischen sozialen Dialogs. Wir unterstreichen zudem, dass der soziale Dialog gemäß Artikel 9 und 152 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bei der Festlegung und Umsetzung der Politik auf EU-Ebene berücksichtigt werden muss. Die Fähigkeit der Sozialpartner, an einem sinnvollen sozialen Dialog teilzunehmen, hat entscheidende Bedeutung für ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Fairness und trägt so zur Schaffung einer ausgewogenen modernen Sozialpolitik bei, die den Bedürfnissen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Rechnung trägt. Die EVP-Fraktion unterstützt einen sozialen Dialog, bei dem Online-Instrumente zur Stärkung der partizipatorischen Demokratie genutzt werden.

1. Die Beschäftigung fördern

Beschäftigung, qualifizierte Arbeitskräfte und Unternehmertum stehen für uns im Vordergrund. Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, die bestehenden europäischen und nationalen Maßnahmen und Finanzrahmen bestmöglich zu nutzen, um gut funktionierende Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte zu schaffen und Investitionen in Menschen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.

1.1 EU-Mittel

Der Europäische Sozialfonds und die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen sind mit Mitteln in Höhe von 86 Mrd. EUR die wichtigsten Instrumente der Europäischen Union für die Eingliederung und Wiedereingliederung von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt. Wir fordern gezielte und vereinfachte Maßnahmen, um die Fähigkeit der Mitgliedstaaten zu verbessern, die Mittel besser zu nutzen, die im Rahmen des Europäischen Sozialfonds, des Europäischen Fonds für die regionale Entwicklung, des Europäischen Kohäsionsfonds, des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und der Europäischen Beschäftigungsinitiative für junge Menschen zur Verfügung stehen, die wichtige Instrumente zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit der Europäer sind.

1.2 Bildung, Anpassung der Qualifikationen und Ausbildung

Wir räumen Investitionen Vorrang ein, die Bildung, auch duale Ausbildung, Sprachenerwerb (einschließlich der Sprachen von Nachbarländern), Ausbildung, Lehrstellen, Kompetenzen, Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmertum in Europa durch Programme und Plattformen wie Erasmus+ und EURES fördern, die Millionen von Europäern die Möglichkeit bieten, nützliche Erfahrungen zu sammeln. Wir treten auch für die Einrichtung eines europäischen Systems für die Lehrlingsausbildung ein, das sich auf bewährte Verfahren in den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet stützt. Durch ein solches System würde die Mobilität, auch die grenzüberschreitende Mobilität, der Arbeitskräfte in der EU erhöht, die nachweislich zum Wachstum beiträgt, indem sie den Arbeitskräftebedarf in den Mitgliedstaaten deckt.

Unseres Erachtens muss es eine bessere Abstimmung zwischen den Lehr- und Ausbildungsplänen und dem Bedarf der sich wandelnden Arbeitsmärkte geben. Wir fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bildung und Ausbildung im Bereich IKT und in den MINT-Fächern zu fördern, damit heutige und künftige Arbeitskräfte wichtige digitale Kompetenzen erwerben können. Duale Ausbildungsprogramme und die Kombination von Bildungsangeboten und Praktika müssen ebenfalls Unterstützung erhalten. Wir unterstützen Programme, die arbeitslosen jungen Menschen digitale Kompetenzen vermitteln, wie offene Online-Lehrgänge, und fördern diese Möglichkeit auch für die Generation 50+/aktive Senioren. Die derzeitigen Unterrichtsmethoden müssen durch praktische Kurse (z. B. Programmierung an Schulen) und durch die notwendige technische Grundlage in Schulen und Hochschulen ergänzt werden. Wir glauben, dass wir in den europäischen Ländern hochqualifizierte, begabte und produktive Arbeitskräfte ausbilden, halten und gewinnen müssen und günstige Bedingungen schaffen müssen, um die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte zu verhindern.

Ferner sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die europaweite Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen, einschließlich Abschlüssen und Online-Zertifikaten, die im Rahmen von MOOC (Massive Open Online Courses, offene Online-Kurse für große Teilnehmerzahlen) erworben wurden, und die Validierung nicht formaler Lernprozesse zu verbessern, damit Fachleute in ganz Europa mit ihren Kenntnissen und Fertigkeiten einen Beitrag leisten können. Wir fordern die Kommission auch auf, das Instrument zur Qualifizierung für Berufe, ESCO, an andere europäische Qualifizierungsinstrumente wie EQR, Europass, ECVET und EURES anzupassen, die in der allgemeinen und beruflichen Bildung und zur Anerkennung früher erworbener Kenntnisse verwendet werden.

1.3 Integrativer Arbeitsmarkt

Wir fordern zusätzliche Maßnahmen für die Integration der Generation 50+ in den Arbeitsmarkt, in Unternehmen, Bildung oder Ausbildung, um Langzeitarbeitslosigkeit und die Gefahr sozialer Ausgrenzung für diese Arbeitnehmer und ihre Familien zu verhindern. Wir wollen auch die Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt bekämpfen und ein altersfreundliches Umfeld fördern.

Wir sprechen uns für Maßnahmen zur Bewältigung des Problems der Langzeitarbeitslosigkeit aus, das die Hauptursache sozialer Ausgrenzung ist. Diesbezüglich unterstützen wir die neue Empfehlung des Rates zur Langzeitarbeitslosigkeit. Wir fordern eine Integrationsinitiative, damit alle Arbeitssuchenden, die länger als 12 Monate arbeitslos sind, eine individuelle Prüfung ihres Falls und eine Wiedereinstiegsvereinbarung erhalten, die ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglicht, bevor sie 18 Monate lang arbeitslos sind.

Die erfolgreiche Integration legaler Flüchtlinge und Migranten ist eine sehr wichtige Aufgabe, die für ein funktionierendes modernes soziales Europa unerlässlich ist. Wir wollen allgemeine und berufliche Bildung sowie Betriebspraktika nutzen, um das Potenzial Einzelner festzustellen und ihre Integration als Teil eines wechselseitigen Prozesses zu verbessern.

1.4 Digitale Arbeitsplätze

Wirtschaft und Arbeitsmarkt verändern sich infolge der Digitalisierung und einer breiteren Anwendung innovativer, produktiverer, maßgeschneiderter und effizienter Technologien und Dienstleistungen. Unseres Erachtens bietet der digitale Markt viele Beschäftigungsmöglichkeiten, und wir fordern alle maßgeblichen Akteure auf, die Entwicklung neuer digitaler Arbeitsplätze in Europa zu fördern. Die Große Koalition für digitale Arbeitsplätze, die zusammen mit dem Privatsektors gebildet wurde, ist ermutigend. Wir unterstützen ferner Strategien zur Verringerung der digitalen Kluft und zur Förderung eines gleichberechtigten Zugangs zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere für Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

1.5 Unternehmertum

Wir müssen durch die Förderung einer unternehmerischen Denkweise und der damit zusammenhängenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen eine bessere Kultur des Unternehmergeists entwickeln, und das auch in der verarbeitenden Industrie, in Familienunternehmen, KMU und Kleinstunternehmen. Daher unterstützen wir Initiativen wie den „Juncker-Plan“, Mikrofinanzierungsmechanismen und andere Mechanismen der EU sowie Hilfen für Freiberufler. Wir glauben, dass Gesellschaften und Unternehmen, ob groß oder klein, den größten Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leisten und daher von einem wettbewerbsfähigen, hindernisfreien Umfeld und Zugang zu Finanzmitteln profitieren sollten, die es ihnen ermöglichen, unkompliziert Arbeitsplätze zu schaffen. Wir treten dafür ein, die Steuerlast von der Arbeit auf ein gestaffeltes Steuersystem auf breiter Grundlage zu verlagern. Der Verlagerung von der direkten zur indirekten Besteuerung sollte mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wir sind für Steuermodelle und vereinfachte Verfahren für die Einhaltung von Steuervorschriften, die KMU, Unternehmer, Kleinstbetriebe und Jungunternehmen begünstigen.

2. Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Investitionen für europäische Bürger

Eine nach oben ausgerichtete soziale Konvergenz ist eine Voraussetzung für ein nachhaltiges und modernes soziales Europa, das die heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigt. Sie spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, günstige Bedingungen für Familien in Europa, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und des Lebensstandards, einen angemessenen Sozialschutz sowie sozialen Fortschritt in einer stark wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft zu erreichen. Wir glauben, dass eine nach oben ausgerichtete soziale Konvergenz für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum notwendig ist und einen effizienten und fairen rechtlichen und politischen Rahmen sowie eine verantwortungsvolle Steuerpolitik in allen europäischen Regionen erfordert, um die Ziele der Strategie Europa 2020 zu erreichen.

2.1 Einkommen und Gehälter in Europa

Wir glauben, dass alle Bürger und Familien in Europa Anspruch auf ein Einkommen oder Unterstützungsleistungen haben sollten, die ihnen die Deckung ihrer Lebenshaltungskosten ermöglichen. Die Bewertung der Bedürfnisse der EU-Bürger ist der erste Schritt hin zu sozialer Gerechtigkeit und einer nachhaltigen Demografie. Sozialschutzmechanismen müssen sicherstellen, dass soziale Abhängigkeit nicht zu lange bestehen bleibt, und einen Anreiz für Bildung oder die Eingliederung in den Arbeitsmarkt darstellen.

Alle europäischen Arbeitnehmer sollten Anspruch auf Löhne haben, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es ist alarmierend, dass 8,9 Prozent der europäischen Arbeitnehmer derzeit von Armut bedroht sind. Wir fordern die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Abhilfemaßnahmen. Diese Maßnahmen sollten auf der Ebene der Mitgliedstaaten entwickelt werden, wobei deren jeweilige Gewohnheiten, Traditionen und Haushaltsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind und deren sozioökonomischen Gegebenheiten sowie den Standpunkten der Sozialpartner, der Begünstigten und der sonstigen Interessenträger Rechnung getragen werden muss. Wir glauben, dass ein lebendiger Arbeitsmarkt eine Schlüsselrolle dabei spielt, höhere Löhne und sozialen Schutz für alle zu erreichen.

2.2 Armutsbekämpfung

Die EVP-Fraktion möchte verhindern, dass Gruppen unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden. Über 3,8 Milliarden EUR sind im Zeitraum 2014-2020 für den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) vorgesehen. Wir fordern daher alle relevanten Interessenträger auf, die verfügbaren Mittel zu nutzen, um das Armutsrisiko möglichst effizient zu verringern. Als ersten Schritt fordern wir Maßnahmen, um bedürftigen Menschen eine Erstunterstützung zu bieten, gefolgt von individuellen Begleitmaßnahmen, die ein eigenständiges und menschenwürdiges Leben durch eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Mehr Gewicht sollte auf den von Kirchen organisierten Tätigkeiten in diesem Bereich liegen, damit sie ihre wirksamen und wichtigen Beiträge leisten können.

Ältere Menschen, insbesondere Frauen, dürfen nicht vergessen werden. Ältere Frauen sind einem besonderen Armutsrisiko ausgesetzt, vor allem aufgrund des hohen geschlechtsspezifischen Rentengefälles. Wir fordern die Mitgliedstaaten daher auf, spezielle Maßnahmen zu ergreifen, wie Gutschriften für Betreuungszeiten, Mindestrenten und Hinterbliebenenleistungen, und bewährte Verfahren in diesem Bereich auszutauschen.

Wir fordern die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bestehende Instrumente anzupassen, um Arbeitslosenhaushalte besser zu erreichen und ihre soziale Integration und ihre Beschäftigungsmöglichkeiten zu verbessern. Diese Instrumente wären neben bestehenden bewährten Verfahrensweisen auf Ebene der Mitgliedstaaten auch ein wichtiges Instrument zur Senkung der Kinderarmut in Europa.

Wir glauben an das Potenzial der sozialen Wirtschaft und der „Solidarwirtschaft“ bei einer innovativen und kosteneffizienten Lösung gesellschaftlicher Probleme. Daher schlagen wir vor, dass die Kommission neue Impulse für soziale Investitionen gibt.

2.3 Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Wir glauben, dass in allen EU-Mitgliedstaaten eine Kinderbetreuungsinfrastruktur in räumlicher Nähe gebraucht wird, um Arbeit und Familie besser vereinbaren zu können. Wir fordern ferner die Verbesserung der Zugänglichkeit zu Betreuungsdienstleistungen für bedürftige Eltern, Familien und Einzelpersonen. Wir unterstützen Arbeitgeber, die aufgeschlossen für diese Fragen sind und nach Wegen suchen, die die Organisation erleichtern, es vor allem aber Arbeitnehmern ermöglichen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Wir erkennen die entscheidende Rolle an, die Mütter und Väter in unserer Gesellschaft spielen, und wir begrüßen und unterstützen die von der Kommission angekündigte Initiative zur Förderung einer höheren Frauenerwerbsquote, indem Hindernisse bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugunsten von Einzelpersonen/Familien und Unternehmen beseitigt werden.

Wir erkennen die Wichtigkeit der Betreuung von Kindern und anderen Familienmitgliedern an, die sie benötigen. Wir unterstützen alle Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten, die den Wert der unbezahlten Arbeit von Betreuungspersonen anerkennen und sind der Ansicht, dass diese Arbeit in Rentensystemen berücksichtigt werden sollte, um so das Rentengefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern.

Lebenslanges gesundes Altern muss ein grundlegendes Konzept bei der Gestaltung einer Politik sein, die bei der Kindheit anfängt, um die Lebensqualität im hohen Alter zu verbessern. Dazu sollten hohe Gesundheits- und Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz während des gesamten Berufslebens gehören.

3. Ein solider rechtlicher und politischer Rahmen

Wir achten die Verträge, die in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip der EU (gemäß Artikel 151 bis 161 AEUV) das Recht verleihen, die Tätigkeiten der Mitgliedstaaten in den Bereichen Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer, Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit und sozialer Schutz, Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer, Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Integration rechtmäßig im Gebiet der Union ansässiger Drittstaatsangehöriger zu unterstützen und zu ergänzen.

Wir glauben, dass mit dem europäischen Arbeits- und Sozialrecht soziale Mindeststandards in ganz Europa festgelegt werden müssen, um gleiche Ausgangsbedingungen für alle EU-Bürger und Unternehmen sicherzustellen und den sozialen und regionalen Zusammenhalt in Europa zu stärken, auch in den Regionen in äußerster Randlage. Uns ist jedoch bewusst, dass alle europäischen Rechtsvorschriften für ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen einzelner Mitgliedstaaten, Branchen, Arbeitnehmer- und Bürgerrechten sorgen müssen. Jede Einführung neuer Normen auf europäischer Ebene muss begründet und angemessen sein und sich auf eine gründliche evidenzbasierte Bewertung stützen, nationale Gewohnheiten und Traditionen müssen gewahrt werden.

Wir sprechen uns für Arbeitsmarktreformen aus, die die Eingliederung Arbeitssuchender in den Arbeitsmarkt unterstützen, die interne und externe Flexibilität für Arbeitgeber verbessern und einen sicheren und nachhaltigen Sozialschutz für Arbeitnehmer vorsehen. Mit diesen Reformen sollte ein Gleichgewicht zwischen ehrgeizigen Standards beim Arbeitnehmerschutz und besseren Möglichkeiten für Personen erreicht werden, wieder auf den Arbeitsmarkt zu gelangen.

Europa muss Ergebnisse bieten und leere Versprechungen vermeiden. Die EVP-Fraktion fordert eine Agenda für intelligente Regulierung, um die angemessene Durchsetzung und Anwendung der Sozialvorschriften der EU zu erleichtern und sicherzustellen, dass die Mittel die richtigen Empfänger erreichen. Wir unterstreichen, dass der soziale Dialog während des gesamten Prozesses der intelligenten Regulierung in Übereinstimmung mit Artikel 9 und 152 AEUV weiterhin ein wichtiger Teil unserer sozialen Marktwirtschaft ist.

Diese Agenda sollte umfassend und direkt mit dem Verfahren des Europäischen Semesters verbunden sein. Sie sollte die gemeinsame Analyse und Festlegung von Strategien für die soziale und die wirtschaftliche Dimension der Mitgliedstaaten konsolidieren und hervorheben, dass diese Kriterien miteinander vereinbart werden müssen.

Wir erkennen an, dass die Aufnahme von Beschäftigungsindikatoren in das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichtsverfahren Entwicklungen bei Beschäftigung und im sozialen Bereich beim Verfahren des Europäischen Semesters besser widerspiegelt. Wir treten dafür ein, ihnen den gleichen Status wie den anderen Leitindikatoren zu geben und so zu ermöglichen, dass sie eingehende Analysen auslösen können, um gegebenenfalls die Ergebnisse beschäftigungs- und sozialpolitischer Maßnahmen durch angemessene Strukturreformen zu verbessern.

3.1 Sozialer Schutz von Arbeitnehmern

Die EVP-Fraktion unterstützt verantwortungsvolle und effiziente Sozialschutzmaßnahmen auf der Grundlage von Rechten und Pflichten. Die Mitgliedstaaten sollten zudem den sozialen Schutz von Arbeitnehmern hinsichtlich der Altersversorgung gewährleisten, indem sie staatliche Renten, mit denen ein angemessener Lebensstandard aufrecht erhalten werden kann und die Schutz vor Altersarmut bieten, vorsehen und ergänzende Altersversorgungssysteme, die an Beschäftigungsverträge geknüpft sind, als zusätzlichen Versicherungsschutz fördern. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollten die Mitgliedstaaten uneingeschränkt für die Organisation ihrer Altersversorgungssysteme und die Entscheidung über die Rolle zuständig sein, die die drei „Säulen“ der Altersversorgung in den einzelnen Mitgliedstaaten spielen. Es muss jedoch ein europäisches Pensions- und Rentenaufzeichnungssystem eingerichtet werden.

Angesichts der steigenden Lebenserwartung in allen Mitgliedstaaten der EU, die sich alle zehn Jahre um durchschnittlich 2,5 Jahre erhöht, sowie des demografischen Wandels in Europa fordern wir die Mitgliedstaaten auf, umgehend die notwendigen strukturellen Änderungen, auch bei den Rentensystemen, vorzunehmen, um für eine nachhaltige soziale Sicherheit für alle und Solidarität zwischen den Generationen zu sorgen.

Wir sprechen uns für langfristige Verträge als Standardverträge aus, die durch angemessene Maßnahmen gefördert werden können. Teilzeitarbeit, Zeitarbeit, Saisonarbeit und andere Formen von Verträgen sind ebenfalls notwendig, um für Unternehmen und Arbeitnehmer eine Vielzahl an vertraglichen Vereinbarungen zu ermöglichen. Wir fordern jedoch, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass jede Art von Vertrag, die einem Arbeitnehmer angeboten wird, seinen Verpflichtungen und Aufgaben entspricht und keinen missbräuchlichen oder spekulativen Charakter hat. Wir glauben, dass Vielfalt, Flexibilität und Sicherheit von großem Wert für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind.

Wir unterstützen Maßnahmen zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit in allen ihren Formen sowie ungesicherter Arbeitsverhältnisse. Ungesicherte Arbeitsverhältnisse sind für uns Beschäftigungen, bei denen europäische und einzelstaatliche Normen, insbesondere zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, nicht eingehalten werden, und/oder die keine ausreichenden Mittel für ein menschenwürdiges Leben oder einen angemessenen Sozialschutz bieten.

Wir fordern ein vereinfachtes und wirksameres Regelwerk zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und die Verbesserung der Möglichkeit von KMU und Kleinstbetrieben, effektive und effiziente Maßnahmen zur Risikoprävention gemäß europäischen und nationalen Bestimmungen zu ergreifen und dabei die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren. Arbeitnehmer, die Tätigkeiten der neuen Generation ausführen, benötigen einen angemessenen Gesundheits- und Sicherheitsschutz, der an die neuen Umstände angepasst ist, so im Hinblick auf Stress, Burnout oder Erkrankungen des Bewegungsapparats. Wir wollen auch die Chancen nutzen, die die Digitalisierung von Arbeitsplätzen bietet, um sichere, flexible Arbeitszeitregelungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu schaffen.

3.2 Chancengleichheit

Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, die Inklusivität des europäischen Arbeitsmarktes zu erhöhen und unterstützen daher Maßnahmen, um die Lücken in der europäischen Antidiskriminierungsgesetzgebung im Beschäftigungsbereich zu schließen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Darüber hinaus unterstützen wir die sofortige Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

Die EVP-Fraktion tritt nachdrücklich für eine vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen bei Löhnen und Renten sowie im Hinblick auf die Karriereentwicklung in allen Mitgliedstaaten ein. Wir fordern gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Erwerbsquote von Frauen, um das weiterhin bestehende geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle von 11,5 Prozent zu beseitigen und das Potenzial der Arbeitsmarktkompetenzen von Frauen voll auszuschöpfen.

3.3 Mobilität der Arbeitnehmer

Mobilität ist eine Quelle der Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes. Bei einem so grundlegenden Grundsatz der EU wie der Freizügigkeit kann es kein Zurück geben. Wir treten daher für Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Mobilität ein, deren Rahmen klare Bestimmungen der EU über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit bilden. Gleichzeitig dürfen wir keinen Missbrauch, Betrug oder fehlende Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften der EU dulden.

Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, gleiche Ausgangsvoraussetzungen in der Europäischen Union sicherzustellen. In diesem Sinne fordern wir einen Aktionsplan zur Beseitigung der bei den derzeitigen Bestimmungen festgestellten Schwachpunkte, um Sozialdumping im Rahmen illegaler sozialer Praktiken zu bekämpfen und effiziente Kontrollen durchzusetzen. Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, eine einzige Anlaufstelle und eine einheitliche nationale Website einzurichten, um grenzüberschreitende Arbeitnehmer über steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat zu informieren, zu beraten und sie zu unterstützen.

Missbrauch und Betrug können nur bekämpft werden, wenn die EU- und die nationalen Gesetzgeber einen wirksamen, durchsetzbaren und geeigneten Rechtsrahmen vorsehen, der auf gegenseitiger Zusammenarbeit basiert, wobei die Mitgliedstaaten die Kontrollen verbessern und sicherstellen müssen, dass sie verhältnismäßig, begründet und nicht diskriminierend sind. Die legitime und legale Bekämpfung von Betrug darf jedoch nicht als Vorwand genutzt werden, die Bestimmungen des Vertrags, darunter den Grundsatz des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs, in Frage zu stellen, die vorsehen, dass die Bürger eines anderen EU-Mitgliedstaats gleich behandelt werden wie Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats.

Wir begrüßen die Pläne der Kommission, die Mängel bei der Koordinierung des Mindestanspruchs auf soziale Sicherheit in Europa durch die Anpassung der Verordnung 883/2004 und der Durchführungsverordnung 987/2009 über die Koordinierung des Systeme der sozialen Sicherheit festzustellen und zu beheben. Wir müssen verhindern, dass die Anpassung der Rechtsvorschriften über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit als Mittel für einen unlauteren Wettbewerb genutzt wird.

Uns ist bewusst, dass bei der Umsetzung der Entsenderichtlinie weiterhin Probleme bestehen. In diesem Zusammenhang fordern wir eine rechtzeitige Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern durch die Mitgliedstaaten und eine konsequente Analyse der Folgen ihrer Umsetzung, um Missbräuche zu verhindern. Die Kommission hat die Veröffentlichung des Pakets zur Arbeitskräftemobilität einschließlich einer gezielten Überarbeitung der Entsenderichtlinie angekündigt. Wird dieser Prozess eingeleitet, fordern wir, nur die notwendigen ungelösten Aspekte anzusprechen, um eine gerechte Behandlung der Arbeitnehmer und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen sicherzustellen. Eine überarbeitete Richtlinie muss weiterhin die Dienstleistungsfreiheit erleichtern. Alle vorgeschlagenen Maßnahmen müssen klar, verhältnismäßig, nicht diskriminierend und gerechtfertigt sein und den unterschiedlichen Lohnbildungsmechanismen in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Um strengere Kontrollen zur Bekämpfung und Verhinderung von Missbrauch zu erreichen, fordern wir eine bessere grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Aufsichtsstellen und den elektronischen Informations- und Datenaustausch.