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16.05.2012 9:30
Basel III: Banken stabilisieren und Wachstum finanzieren
Zuerst war es nur ein Thema für Bankenspezialisten. Spätestens seit den spektakulären Bankpleiten der letzten Jahre und der weltweiten Finanzkrise nimmt es auch eine breitere Öffentlichkeit wahr: "Basel III". Die Frage, wie viel Geld eine Bank auf die Seite legen muss, um gegen alle Geschäftsrisiken abgesichert zu sein, ist nicht nur eine Schlüsselfrage für die Banken. Hier liegt auch die Stellschraube, mit der gesteuert werden kann, wie teuer die Kredite der Banken an die Realwirtschaft sind. Im Moment verhandeln Europäisches Parlament und Rat eine Überarbeitung der in diesem Bereich geltenden Vorschriften. Was sind "Basel" und "CRD"? Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erarbeitet seit den 70er Jahren internationale Standards für Banken. Diese Standards waren zunächst nur Empfehlungen. Die EU hat mit der sogenannten Eigenkapital-Richtlinie (Capital Requirements Directive/"CRD") im Jahr 2006 zum ersten Mal umfassend Baseler Standards verbindlich eingeführt. Die EU-Richtlinie wurde seitdem mehrmals überarbeitet. Nach der Erfahrung der weltweiten Finanzkrise hat der Baseler Ausschuss seine Standards im September 2010 verschärft. Das "Basel III" genannte Regelwerk verpflichtet die Banken mehr Eigenkapital zu halten, um besser für Krisensituationen gewappnet zu sein. Schon im September 2009 wurde beim G20-Gipfel im Pittsburgh vereinbart, dass die neuen Baseler Regeln bis 2013 von den G20-Ländern verbindlich eingeführt werden. Das laufende Gesetzgebungsverfahren "CRD4" ist deshalb die Umsetzung von "Basel III", in EU-Recht. Was ist Verfahrensstand? Eigentlich haben sich alle großen Industrieländer verpflichtet, "Basel III" bis zum 1. Januar 2013 einzuführen. Europa ist der einzige Kontinent, dessen Vorbereitungen so weit vorangeschritten sind, dass es diesen Zeitplan einhalten kann. Mitte Mai haben die beiden EU-Gesetzgeber - Europäisches Parlament und Ministerrat - ihre jeweiligen Positionen festgelegt und verhandeln derzeit miteinander. Noch diesen Sommer soll eine Einigung erzielt und "CRD4" beschlossen werden. Welche Fragen regelt CRD4? CRD4 regelt Fragen wie: Wie viel Geld müssen europäische Banken auf die Seite legen, um die Risiken ihrer verschiedenen Geschäftstätigkeiten abzudecken? Welches Geschäft ist wie risikoreich? Ist ein Kredit für ein mittelständisches Unternehmen (KMU) wirklich riskanter als eine Staatsanleihe? Wie können wir eine Kreditklemme verhindern und Wachstum in der EU finanzieren? Welche Anreize werden für Banker gesetzt, Risiken einzugehen? Dürfen die EU-Mitgliedstaaten zusätzlich zum gemeinsamen CRD4-Regelwerk weitere Anforderungen an die Banken hinzufügen? Was will das Europäische Parlament? Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 14. Mai die Position des Parlaments für die Verhandlungen mit dem Ministerrat beschlossen. Ungewöhnlich dabei war, dass der Beschluss einstimmig über alle Parteigrenzen hinweg erfolgte. Das war ein Erfolg des EVP-Abgeordneten und Parlamentsvizepräsidenten Othmar Karas, der Berichterstatter des Parlaments, d.h. Chefverhandler für CRD4 ist. Die Einstimmigkeit war ein eindeutiges Signal, dass das Parlament es ernst meint, den Bankensektor zu stabilisieren, die Realwirtschaft zu finanzieren und für Fairplay im Bankensektor zu sorgen. Die folgenden Punkte erklären die Vorschläge des Parlaments: Wodurch stabilisiert CRD4 den Bankensektor? - Mehr und besseres Eigenkapital: Bisher müssen die Banken mindestens 8% Eigenkapital halten. Dies muss aus verschiedenen Arten von Kapital bestehen, 2% müssen sogenanntes "hartes Kernkapital", d.h. Kapital höchster Qualität sein. Mit der Einführung von CRD4 sollen die Banken insgesamt weiterhin 8% Eigenkapital halten, der Anteil von hartem Kernkapital dabei wird aber auf 4,5% erhöht. Zusätzlich sollen sie zwei weitere Kapitalpuffer bilden: 2,5% Kapitalerhaltungspuffer und 0%-2,5% antizyklischer Kapitalpuffer. Letzterer wird von den nationalen Aufsehern individuell festgelegt. Außerdem sollen systemrelevante Banken ("SIFIS" - systemically important financial institutions) zusätzlich weitere 1% bis 3% hartes Kernkapital halten. Dieser Prozentsatz kann sogar auf insgesamt bis zu 10% angehoben werden, wenn eine Bank in einem Mitgliedstaat eine besondere wirtschaftliche Bedeutung hat. Alle diese Änderungen sollen die Belastbarkeit der Banken in Krisensituationen erhöhen. - Mehr Liquidität: Die Finanzkrise war eine Liquiditätskrise. Es reicht nicht, mehr Kapital zurückzulegen, wenn es im Krisenfall nicht verwendet werden kann, weil es nicht verfügbar ist oder nur unter hohen Kosten verfügbar ist. Deshalb werden zwei neue Kriterien für das Eigenkapital eingeführt: das kurzfristige (liquidity coverage ratio) und das mittelfristige Liquiditätsrisiko (net stable funding ratio) der Banken dürfen bestimmte Werte nicht überschreiten. - Beschränkung der Geschäfte mit Schattenbanken: Unternehmen, die Finanzgeschäfte betreiben, aber keine Kreditinstitute sind, nennt man Schattenbanken. Dies ist ein bisher kaum geregelter Bereich. Das Parlament will, dass die Banken ihre zehn größten finanziellen Engagements zu solchen unregulierten Instituten melden müssen. Außerdem dürfen die Banken nicht mehr als 25% ihres Kreditvolumens an Schattenbanken vergeben. Auf welche Weise fördert CRD4 Wachstum und Beschäftigung? - Ausgleichsfaktor zur Erleichterung von Krediten an KMU: Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Kredit für KMU mit 75 Prozent Eigenkapital hinterlegt werden muss, eine griechische Staatsanleihe aber mit null Prozent. Deshalb will das Parlament das Risikogewicht für KMU-Kredite durch die Einführung eines Ausgleichsfaktors um rund ein Drittel reduzieren. Damit wird das geltende Risikogewicht von 75% wird auf ca. 50% gesenkt. - KMU-Faktor gilt auch für Betriebsgründer: Um Unternehmensgründungen, Innovationen und bestimmte Existenzgründungsmodelle mancher Länder ("Ich-AG") zu fördern, soll der KMU-Faktor auch auf Kredite an Betriebsgründer angewandt werden. - "Retailgrenze" von 1 Million auf 2 Millionen Euro anheben: Die Definition von Retail-Kredit wird verändert. Bisher galt das Risikogewicht von 75% für Endkundenkredite bis zu 1 Million Euro. Das Parlament will, diese Grenze auf 2 Millionen Euro erhöhen. Dadurch fallen mehr Kredite unter die oben genannte neue Regelung. - Erleichterung von Infrastrukturkrediten: Das Parlament will, dass für Infrastrukturkredite (Verkehr, Energie und Telekom) das Risikogewicht halbiert wird. - Exportfinanzierung/Handelsfinanzierung: Für bestimmte Export- und Handelsfinanzierungen soll das Risikogewicht ebenfalls gesenkt werden. All diese zusätzlichen Instrumente zur Förderung von Wachstum hat das Parlament in den ursprünglichen Gesetzesentwurf der Kommission eingefügt. Auf welche Weise führ CRD4 zu mehr Fairplay im Bankensektor? - Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Banken in der EU: Um durch CRD4 die kontinentaleuropäischen Banken nicht in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den angloamerikanischen Banken zu versetzen, wurden die Eigenheiten der europäischen Banken besser berücksichtigt:
- Bonuszahlungen an Banker: Das Parlament spricht sich dafür aus, dass die Boni das Gehalt nicht übersteigen dürfen (Verhältnis max. 1:1). Der Wert, den ein Bankangestellter für seine Bank hat, muss sich zuallererst im Gehalt ausdrücken. Wenn die Bonuszahlungen das Gehalt um ein Vielfaches überschreiten, verzerrt sich die Anreizstruktur. - Keine Boni für Gewinne mit billigem Geld der Europäischen Zentralbank: Die europäischen Banken werden Gewinne aus vergünstigten Krediten der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht mehr auf die Bonusansprüche anrechnen dürfen. Das Parlament will, dass Banker keinen persönlichen Vorteil aus den Sonderkonditionen der EZB ziehen können.
Berichterstatter