Alcide De Gasperi - Christ, Demokrat, Europäer

Der Lauf der Zeit vermag es nicht, jene Menschen aus dem Gedächtnis zu löschen, die die Geschichte zutiefst geprägt haben und die weiterhin ein lebendiger Bezugspunkt für die Definition von Werten und Ideen sind, die die Grundlage des zivilen Lebens bilden.

Es ist uns daher eine Ehre, einen Beitrag über das Leben und das politische Engagement von Alcide De Gasperi leisten zu können.

Der Führer der Christdemokratie; acht Jahre lang Präsident des Rates; führender Verfechter des Wiederaufbaus und der Versöhnung Italiens nach dem Trauma des Zweiten Weltkriegs. Als Gründer und Vater der europäischen Einheit sollte das europäische Projekt Frieden und Entwicklung auch gegen die kommunistische Bedrohung sichern und die Spaltungen überwinden, die die europäischen Länder in diesem dramatischen globalen Konflikt leider geprägt hatten. Als vielseitige Persönlichkeit war er ein Staatsmann, der den Grundstein für die Entstehung und Entwicklung Italiens und des Europas legte, in dem unsere Väter und Großväter gelebt hatten.

Für uns, die heutigen Kinder dieser Generation, stellt sich jedoch die Frage, in welchem Land und auf welchem Kontinent wir zu leben gedenken. Die Frage ist legitim. De Gasperi wie auch Schuman und Adenauer wurden in den letzten Monaten immer wieder zitiert, wenn der europäische Traum ins Wanken zu geraten schien, ja sogar gefährlich wurde. Der Brexit, die Bedrohung durch den Terrorismus, das Wiederaufleben des Nationalismus, die Fehler und der Egoismus einiger Mitgliedstaaten angesichts der Einwanderung erinnern oft an das mögliche Ende des großen europäischen Projekts, das vor 60 Jahren mit den Römischen Verträgen begann.

Der von De Gasperi verkörperte europäische Geist hat jedoch Bestand und wurde von vielen politischen Persönlichkeiten aufgegriffen. Wir, die Kinder eines geeinten Europas, müssen unseren Beitrag leisten. Es ist kein Geringerer als der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, der dem Beispiel der großen Staatsmänner des italienischen Europäismus der Nachkriegszeit folgt, mit Alcide de Gasperi an der Spitze.

Die Welt ist jetzt die Bühne, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Mehr Sicherheit, ein freier und gleichberechtigter Wettbewerb auf den internationalen Märkten, die Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt und Bedrohung, Entwicklung und Innovation, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt: all das können wir nur erreichen, wenn wir den Grundgedanken der Einheit gegenüber der Spaltung zwischen den Staaten festigen.

De Gasperi wusste dies sehr wohl. Auch er war der Sohn eines "Zwischenlandes", geboren im damals österreichischen Trentino. Er war Abgeordneter des kaiserlichen Parlaments in Wien und vertrat die italienische Minderheit, bevor er Sekretär der Italienischen Volkspartei unter Luigi Sturzo wurde. Durch seine unmittelbare Erfahrung des Scheiterns des italienischen liberalen Staates und der Weimarer Republik, einschließlich des Schmerzes der Inhaftierung, war ihm klar, welche Bedürfnisse sein Volk hatte, für das er unermüdlich arbeitete und den Erfolg erzielte, den die Geschichte heute anerkennt.

Darin liegt die große Aktualität von De Gasperi begründet. Er führte sein politisches Leben mit Hingabe, Uneigennützigkeit und Großzügigkeit des Geistes. Diese Werte müssen eine Quelle der Inspiration für die Abgeordneten und Politiker unserer Generation sein. Sein fester Glaube an ein Italien, das im Westen und in Europa verankert und seinen christlichen und volkstümlichen Traditionen treu ist, das sich gegen Extremismus und für Entscheidungen ausspricht, die auf der Robustheit des gesunden Menschenverstands beruhen, sind auch heute noch Werte, die die Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament leiten. Dies sind die Ziele, auf die wir hinarbeiten müssen, um den Frieden, die Freiheit und die Entwicklung, die uns unsere Väter geschenkt haben, zu bekräftigen.

Manfred WEBER MEP
Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament

Lara COMI MEP
Stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament