Positionspapier der EVP-Fraktion: Eine Europäische Strategie für Pflege und Betreuung

07.07.2021

Positionspapier der EVP-Fraktion: Eine Europäische Strategie für Pflege und Betreuung

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In ganz Europa wurde und wird seit jeher Pflege und Betreuung geleistet und in Anspruch genommen; daher liegt dieses Thema vielen Europäerinnen und Europäern am Herzen. Familienangehörige und Nachbarn pflegen und betreuen diejenigen, die Hilfe benötigen, rund um die Uhr und kümmern sich um Kinder, Menschen mit Behinderungen oder einer chronischen Erkrankung und ältere Menschen. Jeder von uns wurde zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben gepflegt oder betreut und wird eines Tages wahrscheinlich auch jemand anderen pflegen oder betreuen. Das ist seit Generationen ein wichtiger Bestandteil unseres Gesellschaftsvertrags. Investitionen in Pflege und Betreuung sind nicht nur eine moralische Notwendigkeit im Einklang mit der europäischen Lebensweise, sondern tragen auch wesentlich zum gesellschaftlichen Wohl bei, wozu auch Zusammenhalt und ein Familien- und Zugehörigkeitsgefühl zählen; außerdem wird dadurch eine positive Entwicklung sowohl derjenigen, die Pflege in Anspruch nehmen, als auch derjenigen, die sie leisten, ermöglicht.

In Europa bestehen jedoch verschiedene Pflegemodelle, die sich weiter entwickeln und verändern, um so den Gegebenheiten und Herausforderungen des modernen Lebens zu entsprechen. Die COVID-19-Pandemie hat ein Schlaglicht auf die Bereitstellung von Pflege- und Unterstützungsdiensten geworfen und deutlich gemacht, dass dieser Sektor unterfinanziert ist und mehr Personal benötigt, und zwar sowohl im formellen als auch im informellen Bereich. Es wurde deutlich, welcher Druck im Zusammenhang mit Pflege und Betreuung besteht und auf Pflege- und Betreuungspersonen sowie auf Familien lastet. So wuchs in der gesamten europäischen Gesellschaft das Bewusstsein, dass ein Wandel herbeigeführt werden muss. Angesichts der weitreichenden demografischen Entwicklungen und der immer weiter zunehmenden Rolle der Frauen in der Gesellschaft sind in vielen europäischen Ländern erhebliche Investitionen und Reformen im Pflege- und Betreuungssektor erforderlich. Es bedarf nun einer kontinuierlichen Debatte, bei der der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Vorrang eingeräumt wird, um für ein hochwertiges Familienleben, die Berücksichtigung von Frauen als Pflege- und Betreuungspersonen und die bestmögliche Qualität von Pflege und Betreuung für all diejenigen zu sorgen, die ihrer bedürfen.

Die EVP-Fraktion vertritt die Auffassung, dass der bzw. die Einzelne und seine bzw. ihre Familie in der Lage sind, die Pflege- und Betreuungsform zu wählen, die den jeweiligen Bedürfnissen am besten entspricht, und zwar mit Unterstützung von Familie, Freunden und Nachbarn sowie Fachkräften aus dem Gesundheits- und dem Sozialwesen. Wir respektieren uneingeschränkt das Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie von Menschen, die Pflege oder Unterstützung benötigen. Wir sind überzeugt, dass sowohl jene, die Pflege und Betreuung leisten, als auch jene, die sie in Anspruch nehmen, wissen, was angesichts der jeweiligen besonderen Umstände das Beste für sie ist. Außerdem sind wir der Auffassung, dass die Unterstützung je nach nationalem Kontext auf der Ebene erfolgen sollte, die den Betroffenen am nächsten ist, sei es auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene. Allerdings können Maßnahmen auf europäischer Ebene in bestimmten Bereichen ergänzend zu den Maßnahmen der Mitgliedstaaten und unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips einen einzigartigen europäischen Mehrwert bieten. Wir erkennen die Vorteile an, die die hohen Sozialschutzstandards der Europäischen Union, auch in den Bereichen Pflege und Betreuung, mit gleichen Chancen für alle mit sich bringen. Die EVP-Fraktion ist bestrebt, diesen Mehrwert auf der Grundlage der europäischen Säule sozialer Rechte zu nutzen, um das, was die Europäische Union ist und zu bieten hat, bestmöglich zu nutzen und sowohl diejenigen, die Pflege und Betreuung leisten, als auch diejenigen, die sie in Anspruch nehmen, bestmöglich zu unterstützen. Daher fordert die EVP-Fraktion eine Europäische Strategie für Pflege und Betreuung, um diejenigen, die Pflege und Betreuung leisten, bei ihrer Arbeit zu unterstützen und um dafür zu sorgen, dass diejenigen, die gepflegt oder betreut werden oder Unterstützung benötigen, bestmöglich versorgt werden.

Eine Europäische Strategie für Pflege und Betreuung würde ein Rahmenkonzept bieten, bei dem Gemeinsamkeiten zwischen allen Arten von Pflege und Betreuung berücksichtigt werden. In der Praxis werden für jede einzelne Art von Pflege und Betreuung getrennte und spezifische Maßnahmen erforderlich sein. Nichtsdestotrotz wird es von entscheidender Bedeutung sein, Synergieeffekte zwischen den einzelnen Maßnahmen zu erzielen und dabei ein generationenübergreifendes Verständnis und einen positiven Ansatz in Bezug auf das Altern und die soziale Inklusion aufzubauen und zu konsolidieren. Darüber hinaus sollten politische Maßnahmen in den Bereichen Pflege und Betreuung und Altern gut aufeinander abgestimmt sein, demografischen Entwicklungen Rechnung tragen und sich gleichzeitig den Wert der Seniorenwirtschaft zunutze machen.

Vor allem informelle Pflege- und Betreuungspersonen verdienen besondere Aufmerksamkeit, da ihre Arbeit weitgehend weder anerkannt noch bezahlt wird. Die EVP-Fraktion erkennt die Besonderheiten dieser Gruppe von Pflege- und Betreuungspersonen an und betont, dass die entscheidende Rolle, die diese Frauen, Männer und Kinder spielen, und der wesentliche Beitrag, den sie in unserer Gesellschaft leisten, persönlich und gesellschaftlich anerkannt werden müssen.

Was?

Während die rechtliche Verantwortung und Zuständigkeit für die Sozialpolitik in erster Linie bei den Mitgliedstaaten liegt und die Umsetzung angemessener Reformen der Pflegesysteme auf nationaler Ebene erfolgen muss, kann eine umfassendere Diskussion auf EU-Ebene einen soliden Beitrag zur Entwicklung gemeinsamer Ansätze leisten und die nationalen Bemühungen ergänzen.

Da Betreuungs- und Pflegekräfte innerhalb der Europäischen Union in hohem Maße mobil sind, könnte ein gemeinsamer europäischer Ansatz ergänzend zu den Maßnahmen der Mitgliedstaaten einen bedeutenden Mehrwert schaffen.

Die Bereitstellung von Pflege und Betreuung ist eine komplexe und facettenreiche Angelegenheit, wobei große Unterschiede innerhalb der EU bestehen. Folglich sind die Gegebenheiten reichhaltig und vielfältig: In den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen unterschiedliche Systeme für die Bereitstellung von Pflege und Betreuung, und es gibt Unterschiede bei der Qualität (die Unterschiede bestehen sowohl in als auch zwischen den Mitgliedstaaten, zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen, städtischen und ländlichen Gebieten sowie in Bezug auf verschiedene Altersgruppen). Außerdem sind die entsprechenden Daten fragmentiert und nicht vergleichbar. Darüber hinaus herrschen unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer für die Wahrnehmung von Pflege- und Betreuungsaufgaben verantwortlich ist, und es gibt unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Rolle des Staates. Dessen ungeachtet bestehen jedoch auch zahlreiche Ähnlichkeiten.

Die sich verändernde demografische Struktur in der EU stellt die Zukunft der Pflege vor Herausforderungen, zumal eine alternde Gesellschaft längere Zeit mit komplexen gesundheitlichen Bedürfnissen lebt, die Geburtenrate sinkt und folglich die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abnimmt, was mit einer Verlängerung des Arbeitslebens einhergeht. Infolgedessen geraten die öffentlichen Ausgaben zusätzlich unter Druck. Eine stärkere Aktivierung von Frauen für den Arbeitsmarkt bietet jedoch die Möglichkeit, die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen zu fördern, sodass für die Mitgliedstaaten geringere Ausgaben in Verbindung mit Arbeitslosigkeit anfallen und die Abhängigkeit von Sozialleistungen sinkt. Darüber hinaus besteht das Potenzial, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu acht Millionen Stellen im Gesundheits- und Sozialwesen zur Verfügung stehen, wodurch neue wirtschaftliche Chancen geschaffen und Wachstum und Beschäftigung angekurbelt werden. Da die Pflege Kompetenzen wie Empathie und den Aufbau von persönlichen Beziehungen verlangt, ist es unwahrscheinlich, dass diese Arbeitsplätze von der Automatisierung betroffen sein werden, sodass sich die Branche als zukunftssicher erweist. Wenn die Pflegebranche weiter ausgebaut wird, so besteht die Möglichkeit, dass dem Bedarf in der Gesellschaft in geeigneter Weise nachgekommen wird.

Überdies sind in Europa aufgrund von Klischees und soziokulturellen Normen für eine Mehrzahl der Pflege- und Betreuungsaufgaben Frauen verantwortlich, die häufig sowohl für ihre Eltern als auch für ihre Kinder sorgen müssen, was ein „Gefälle bei Pflege- und Betreuungsaufgaben“ zur Folge hat, auf das das geschlechtsbedingte Gefälle bei der Beschäftigung in weiten Teilen zurückzuführen ist. Die Betreuung von Kindern oder Angehörigen wird von Frauen in der EU als häufigster Grund genannt, wenn sie die Arbeitszeit verkürzen oder aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Zusätzlich wird die horizontale und vertikale Segregation auf dem Arbeitsmarkt verschärft, wobei Frauen eine kurzzeitige, Teilzeit- oder prekäre und sogar informelle Beschäftigung aufzunehmen bereit sind, die sich zeitlich mit ihren Pflege- und Betreuungsaufgaben vereinbaren lässt, was Auswirkungen auf deren kurz- und langfristige Einnahmen hat und zum Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern beiträgt. An sich wird dadurch das Steuerniveau in den Mitgliedstaaten gesenkt, und es werden somit auch geringere Beiträge in die Pensionskassen eingezahlt. Damit gehen zusätzliche Ausgaben in Form von Sozialleistungen und Gesundheitskosten einher. Insbesondere langfristig wirken sich solche Entscheidungen im Berufsleben erheblich auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit einer Pflege- und Betreuungsperson im Alter aus, auch was das geschlechtsspezifische Rentengefälle und das Armutsrisiko betrifft.

Schließlich sollten eine unabhängige Lebensführung und die Freiheit, solange wie möglich in der eigenen Wohnung zu leben, ein für alle Bürger erreichbares Bestreben und Ziel darstellen. Bislang bildete die Pflege in einem institutionellen Umfeld in einigen Mitgliedstaaten häufig die Norm; sie ist in der gesamten Europäischen Union nach wie vor weit verbreitet. Allerdings wurde ein Paradigmenwechsel hin zu einer Pflege vor Ort eingeleitet, die bei Bedarf von staatlichen Diensten und Personal des Gesundheits- und Sozialwesens unterstützt wird. Während die EU-Mitgliedstaaten und die Union als Ganzes Überlegungen über die Zukunft der Pflegedienste und den Bedarf anstellen, muss auch darüber nachgedacht werden, wie Menschen am besten dabei unterstützt werden können, so lange wie möglich in ihrem Zuhause zu bleiben. Die Fortschritte bei der Digitalisierung und digitale Gesundheitsinstrumente können dazu beitragen, eine unabhängige Lebensführung zu erleichtern.

In welcher Form?

Während die Arbeit der Pflegekräfte durch die COVID-19-Pandemie ins Rampenlicht gerückt wurde, unterstützen und sorgen Pflege- und Betreuungspersonen seit Generationen für ihre Familien, Freunde und Nachbarn. Ihre alltägliche Wirklichkeit und die Verantwortung, die sie dabei tragen, veranschaulichen das Beste, wofür Europa steht. Alle formellen und informellen Pflege- und Betreuungspersonen verdienen mehr als nur Beifall. Daher fordert die EVP-Fraktion

  • eine Europäische Strategie für Pflege und Betreuung mit einer ausgeprägten geschlechtsspezifischen Dimension, die einen ganzheitlichen und lebenslangen Ansatz für die Pflege und Betreuung verfolgt und spezifische Maßnahmen und Aktionen sowohl für Pflege- und Betreuungspersonen als auch für diejenigen vorsieht, die sowohl in der formellen Pflegebranche als auch informell zu Hause gepflegt und betreut werden. Die Strategie sollte unter anderem der Gleichstellungsstrategie und der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unter gebührender Berücksichtigung der Subsidiarität ergänzen. Im Rahmen der Strategie würde die Bereitstellung von Pflege und Betreuung ganzheitlich thematisiert werden, um die Zusammenarbeit und die Koordinierung aller Fonds und Maßnahmen, die den europäischen Pflege- und Betreuungspersonen und den von ihnen gepflegten und betreuten Personen zugutekommen, zu verbessern. Darüber hinaus soll im Rahmen der Strategie die Erwerbsbeteiligung von Frauen gefördert und für langfristige strategische Investitionen zugunsten von Pflege- und Betreuungsbedürftigen sowie von ihren Pflege- und Betreuungspersonen gesorgt werden.

Eine solche Strategie sollte Folgendes umfassen:

Daten

  • die Erhebung regelmäßiger, umfassender und öffentlich zugänglicher Daten über die Situation von Pflege- und Betreuungspersonen und von Personen, die gepflegt oder betreut werden (Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen), aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter, Art der geleisteten oder erhaltenen Pflege oder Betreuung sowie dem Umfeld, in dem sie stattfinden (privat oder öffentlich). Dies würde der Strategie als Grundlage dienen. Darüber hinaus könnte eine solche EU-weite Datenerhebung die Grundlage für einen künftigen Indikator für Pflege und Betreuung legen;

  • eine EU-weite Studie zur Bewertung der Bedürfnisse von Pflege- und Betreuungspersonen in den einzelnen Mitgliedstaaten, damit man sich auf eine klare und umfassende Definition von formeller und informeller Pflege und Betreuung einigen kann.

Geschlechtergleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

  • Erforschung des ökonomischen Werts von Pflege und Betreuung unter Berücksichtigung der Kosten einer geringeren Erwerbstätigkeit von Frauen bzw. ihres Rückzugs vom Arbeitsmarkt und der Auswirkungen auf die Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles.

  • Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben durch alle Mitgliedstaaten, um das Familienleben auch künftig zu schützen, und zwar auf der Grundlage der Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, in der europäische Mindeststandards für Pflege und Betreuung sowie für Vaterschafts- und Elternurlaub festgelegt sind. Die korrekte Umsetzung und Anwendung der Richtlinie sollte engmaschig überwacht werden.

  • Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen.

  • Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, wie gesellschaftliche Gruppen mit besonderem Pflege- und Betreuungsbedarf wie etwa Alleinerziehende oder Eltern mit Kindern, die unter einer schweren Erkrankung wie Krebs oder einer Behinderung leiden, am besten unterstützt werden können, und sich über bewährte Verfahren hierzu austauschen.

  • Die Mitgliedstaaten sollten prüfen, wie die für Betreuungs- und Pflegeaufgaben aufgewendeten Zeiten in den Rentensystemen berücksichtigt werden können, um das geschlechtsspezifische Rentengefälle zu verringern und letztendlich zu beseitigen, und sich über bewährte Verfahren hierzu austauschen.

Pflege und Betreuung & Beschäftigung

  • Gezielte Weiterqualifizierung und Umschulung von Arbeitskräften, um dem wachsenden Beschäftigungspotenzial in der Pflege- und Betreuungsbranche gerecht zu werden, unter Rückgriff etwa auf die europäische Kompetenzagenda, den Kompetenzpakt, den ESF+, die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen, den Fonds für einen gerechten Übergang und EU4Health.

  • Anerkennung der Kompetenzen von Pflege- und Betreuungspersonen im Wege eines Zertifizierungsverfahrens, um ihren Zugang zu Ausbildung, Informationen und Beratung über Pflege, die Erbringung von Pflegeleistungen und angemessene Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Privatleben auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu verbessern, sodass die gegenseitige Anerkennung von Kompetenzen gefördert wird. In diesem Zusammenhang könnte auf das Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen (European Credit Transfer and Accumulation System – ECTS) zurückgegriffen werden.

  • Maßnahmen, mit denen die informelle Pflege und Betreuung im Wege der Formalisierung und der Anerkennung auf der Ebene der Mitgliedstaaten angegangen wird und der Zugang zu Systemen der sozialen Sicherheit, die Möglichkeiten des Urlaubs für pflegende Angehörige, die Anerkennung von Kompetenzen und die Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung gefördert werden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie Kurzzeitpflege sind sowohl für die Pflegeperson als auch für die Person, die Pflege benötigt, unabdingbar. Mit Blick auf öffentliche Einnahmen sollten die Mitgliedstaaten prüfen, wie die Beschäftigung und somit die Erhebung von Einnahmen formalisiert werden können, wozu auch Steuervergünstigungsregelungen und der Rückgriff auf Dienstleistungsgutscheine gehören.

  • Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit des Pflege- und Betreuungspersonals am Arbeitsplatz.

Verwendung von EU-Geldern

  • Alle Mitgliedstaaten sollten die Einrichtung von modernen und hochwertigen Infrastruktureinrichtungen vor Ort unterstützen und ein Netz von Diensten und Pflege- und Betreuungskräften errichten, damit eine hochwertige frühkindliche Erziehung und Kinderbetreuung sowie die Pflege älterer Menschen und von Personen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen sichergestellt werden. Diese Dienste müssen verfügbar, niedrigschwellig und erschwinglich sein, wobei den geografischen und demografischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen ist.

  • Förderung von Investitionen aus EU-Mitteln wie etwa der Aufbau- und Resilienzfazilität, dem Programm EU4Health und den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) in die Pflege- und Betreuungsinfrastruktur; die Notwendigkeit dieser Investitionen wurde bereits mehrfach in den länderspezifischen Empfehlungen hervorgehoben. Die Ausgaben der EU für Pflege und Betreuung sollten überwacht und einer Bewertung unterzogen werden.

  • Erkundung neuer Modelle für Pflege und Betreuung, wobei generationenübergreifende und sozial integrative Projekte wie etwa die Betreuung von Kindern und die Pflege von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen kombiniert werden; die Mitgliedstaaten sollten solche bahnbrechenden Konzepte in Betracht ziehen.

  • Umfassender Rückgriff auf digitale Lösungen zur Unterstützung von Pflegebedürftigen bei einem unabhängigen und eigenständigen Leben, einschließlich der Erbringung maßgeschneiderter Gesundheitsleistungen und auf den Menschen ausgerichteter Pflege im Wege von geeigneten Instrumenten sowie hochwertiger Daten für den grenzüberschreitenden Austausch und die grenzüberschreitende Förderung von Forschung und Behandlung.

Ziele

  • Annahme einer Empfehlung des Rates zur Garantie für Kinder.

  • Überarbeitung der Barcelona-Ziele und Bereitstellung von EU-Mitteln zur Verwirklichung dieser Ziele.

  • Von allen Mitgliedstaaten auszuarbeitende EU-weite Ziele für die Langzeitpflege. Form und Struktur sollten an die Barcelona-Ziele angelehnt sein.

  • Gemeinsame europäische Definition der informellen Pflege und Betreuung auf der Grundlage des Austauschs über bewährte Verfahren, mit Möglichkeiten einer Formalisierung.

  • An die Kommission gerichtete Forderungen, der Frage nachzugehen, wie wirksam es ist, dass die öffentliche Beschaffung von Sozialdienstleistungen den Verpflichtungen der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt, da die Quote der grenzübergreifenden Beschaffung trotz der Bemühungen um eine weitere Marktöffnung nach wie vor sehr niedrig ist.

Ausarbeitung – zusammen mit der Kommission – gemeinsamer europäischer Leitlinien zum Übergang von der institutionellen Pflege und Betreuung zu entsprechenden Leistungen vor Ort und des Instrumentariums für die Verwendung der Mittel der Europäischen Union als Plattform für den Austausch über bewährte Verfahren im Bereich faktengestützter und innovativer Lösungen sowie neuer Modelle und Instrumente für die Bereitstellung von Pflege- und Betreuungsleistungen, wobei soziale Inklusion und das Verständnis der Generationen untereinander gefördert werden.

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